Zwei Bier nach der Arbeit, am Wochenende Wodka – Alkoholismus beginnt schleichend, ist in Österreich ein großes Problem. Gesprochen wird darüber kaum, aber gerade jetzt ist der Alkoholverzicht aufgrund des "Dry January"-Trends in aller Munde. Alleine in Wien trinken 280.000 Personen zu viel Bier, Wein und Schnaps. Sie haben einen problematischen Alkoholkonsum, 100.000 Wiener sind sogar Alk-abhängig.
Ein Betroffener, der als einer der wenigen offen darüber redet, ist Robert K. (Name geändert). Er spricht im "Heute"-Interview über seine Alkoholerkrankung, den langen Weg, wieder herauszukommen, und warum er trotzdem noch in sein Stammbeisl geht.
Bier und Wein haben Robert K. ein Leben lang begleitet. "Auf ein Bier zu gehen, ist Usus. Man trinkt ein Bier oder ein Glas Wein und niemand fragt nach. Es ist normal", so der gebürtige Weinviertler. Bereits sein Großvater und Vater haben hin und wieder einmal über den Durst getrunken. Eine Erklärung oder gar eine Ausrede für seine eigene Alkoholerkrankung soll das aber nicht sein.
"Ich habe schon in meiner Lehrzeit zu Mittag immer wieder ein Bier getrunken. Im dritten Lehrjahr auch noch eines in der Früh und am Abend", erinnert sich der 55-Jährige. Eine Alkoholerkrankung beginnt in der Regel schleichend; wann sie bei Robert begann, kann er zeitlich nicht genau festmachen. "Irgendwann waren es vier bis sechs Bier am Tag, oft auch mehr", so der Niederösterreicher. Dabei ist es selten geblieben, er hat zu Wein oder härteren Sachen gegriffen.
Vor rund drei Jahren wurde Robert klar, dass er etwas ändern muss. "Meine Frau hat mich immer wieder dazu gedrängt, weniger zu trinken. Auch mein Chef hat mich darauf hingewiesen." Folgewirkungen der Alkoholerkrankung gibt es viele: körperliche oder psychische Erkrankungen, gescheiterte Beziehungen oder Jobverlust.
Robert hat noch "Glück", wie er selbst sagt. Mit seiner Frau ist er bereits seit 22 Jahren verheiratet. Von ihr bekommt der 55-Jährige viel Unterstützung, ebenso von seinem Chef. Seinen Job als Haustechniker konnte er zunächst behalten; mittlerweile hat er im Unternehmen andere Tätigkeiten übernommen. "Es geht viel schlimmer", weiß Robert. Im Therapiezentrum bekommt er viele individuelle Schicksale vor Augen geführt. "Man kennt diverse Lebens- und Trinkgeschichten."
"Ich dachte, ich schaffe es alleine heraus, doch es war nicht so", erzählt Robert. Zunächst hat er es bei den Anonymen Alkoholikern versucht. Vergangenen Sommer kam er dann in die tagesklinische Betreuung ins Schweizer Haus Hadersdorf (Wien-Penzing). Zunächst war Robert fünf Tage pro Woche im Therapiezentrum. "Ich hatte keine Ahnung, was mich hier erwartet. Ich konnte viel selbst und frei gestalten. Ich bekam hier Stabilität", sagt er.
„Trinken ist gesellschaftlich akzeptiert. Wenn es dann zum Problem wird, wird auf Betroffene herabgeschaut.“Barbara Schreder-GegenhuberGeschäftsführerin, Schweizer Haus Hadersdorf
"Die Therapie wird individuell auf den Patienten abgestimmt. Es gibt Gesprächstherapie und Gruppenaktivitäten, kreative Angebote, auch medizinische Gespräche und Termine mit Sozialarbeitern, wenn das notwendig ist", erklärt dazu Barbara Schreder-Gegenhuber, Geschäftsführerin des Schweizer Haus Hadersdorf. Am Beginn der Therapie gehe es vor allem darum, eine Tagesstruktur zu finden. Diese Stabilität soll möglichst lange und gut erhalten bleiben.
"Typisch für das Krankheitsbild ist, dass rückblickend viele Betroffene sagen, dass sie die Sucht lange übersehen haben. Trinken ist gesellschaftlich akzeptiert und wenn es zum Problem wird, dann wird auf Betroffene herabgeschaut und gesagt: 'Dann trink halt weniger'", erläutert Schreder-Gegenhuber.
Der Weg aus der Sucht gelingt nicht von einem auf den anderen Tag; Betroffene erleiden immer wieder Rückfälle. Robert kämpft sich durch. Seit rund 170 Tagen hat er keinen Alkohol mehr getrunken. Mittlerweile kommt er auch nur mehr zweimal im Monat zu einer Einzeltherapie ins Haus Hadersdorf.
Das Schweizer Haus Hadersdorf hilft bei Abhängigkeitserkrankungen, wie Alkohol- oder Drogenproblemen. Angeboten werden stationäre und ambulante Therapien.
Website: www.shh.at
Erstgespräche, Abklärungen und eventuell notwendige Weitervermittlungen bei problematischem Alkoholkonsum: Telefon: +43 1/4000-53640
E-Mail: kompetenzzentrum@suchthilfe.at
"Das Problem ist nicht das dritte Bier, sondern schon das erste", ist ihm mittlerweile klar geworden. Nach wie vor geht er in sein Stammbeisl. Dort trinkt er dann anti-alkoholische Getränke. "Man muss nur wollen", sagt er. Zuletzt gab man ihm versehentlich ein Bier, welches er zurückschickte, dann aber doch trinken wollte. "Die Bedienung hat gemerkt, dass ich es eigentlich nicht wollte und hat es mir nicht mehr gegeben. Eine solche Unterstützung aus dem Umfeld ist gut", sagt er.