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Viele schämen sich für "idiotischen Lebensstil"
Weil Fliegen die individuelle CO2-Bilanz ruiniert wie keine andere Tätigkeit, schämen sich immer mehr Menschen für ihre Trips im Flieger.
Mehr als 30 Stunden Zugreise nahm die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thurnberg auf sich, um ans Weltwirtschaftsforum in Davos zu reisen. Dass sie aus Schweden kommt, passt. Denn die Flugscham, also das peinliche Gefühl, das Menschen befällt, die sich trotz Wissens um den Klimawandel in einen Flieger setzen, befällt immer mehr Menschen. Erfunden aber wurde der Begriff "Flygskam" oder #Flugscham, der schon fast zu einer Bewegung geworden ist, in – wen wundert's? – Schweden.
"Idiotischer Lebensstil" des Vielfliegens
Promis wie der schwedische Biathlet Björn Ferry, der nur dann als Sportkommentator für das Nationalfernsehen arbeiten will, wenn keine Flüge dafür nötig sind, oder die schwedische Kulturministerin Alice Bah Kuhnke, die für offizielle Termine mit dem Zug bis nach Südfrankreich reist, machen es vor. Und immer mehr Schweden, so scheint es, folgen nach.
Einer schwedischen Facebook-Gruppe, in der Nutzer Tipps zum Reisen im Zug austauschen, traten in kurzer Zeit mehr als 30.000 Menschen bei. Angefeuert von Medienberichten wie dem des Kulturchefs der Tageszeitung "Expressen", der den "idiotischen Lebensstil" des Vielfliegens als "teuersten Selbstmord der Weltgeschichte" bezeichnet, bleiben manche Schweden lieber gleich am Boden. Sie dokumentieren ihren Verzicht unter den entsprechenden Hashtags in den sozialen Medien und zeigen so, dass auch Verzicht trendy sein kann.
Mehr Nachtzüge in Schweden
Als Folge des erhöhten Bewusstseins boomt jetzt das Zugfahren. Die Nachfrage nach innerschwedischen Nachtzügen ist regelrecht explodiert, wie der "Klimareporter schreibt. Zwischen Malmö und Stockholm stieg die Belegung um 100 Prozent, zwischen Südschweden und Lappland um 25 bis 60 Prozent.
Und mehr als das: Nach Jahren der steigenden Nachfrage zeigt sich die Flugscham nun auch in den Fluggastzahlen. So wurde bei innerschwedischen Flügen ein Minus von rund drei Prozent registriert und auch bei den Charterflügen ist ein leichter Rückgang sichtbar. Wenn das so weitergehe, werde es Konsequenzen haben, sagt Jean-Marie Skoglund, Flugmarktanalytiker bei der staatlichen Verkehrsbehörde: "Die Airlines werden weniger fliegen. Manche Strecken werden eingestellt werden."
Trotz dieses Trends: Weltweit gesehen ist Schweden, wie auch andere Industrienationen, trotzdem noch kein Klima-Musterschüler. So buchen Schweden laut einer Berechnung der schwedischen Naturschutzbehörde fünfmal mehr Flugreisen als der globale Durchschnittsbürger, wie die NZZ schreibt.
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(zos)