Wien

Schon Babys sind betroffen! Arme Kinder häufiger krank

Armut und Gesundheit sind eng miteinander verbunden. Wie weit Kinder betroffen sind, erhob die Ärztekammer im August mit einer Onlineumfrage. 

Louis Kraft
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Armut und Krankheit stehen in enger Wechselwirkung – bereits bei Kindern und sogar Babys!
Armut und Krankheit stehen in enger Wechselwirkung – bereits bei Kindern und sogar Babys!
iStock

"Armut beeinflusst das ganze Leben und jeden Lebensbereich. Und damit auch die Gesundheit und das körperliche und psychische Wohlbefinden", so die Ärztekammer. Welche Auswirkungen Armut konkret auf Kinder hat, wurde nun mit einer neuen Erhebung untersucht.

Bereits zum zweiten Mal baten Ärztekammer und die Volkshilfe Ärztinnen und Ärzte um ihre professionelle Einschätzung des Zusammenhangs von Kinderarmut und Kindergesundheit in Österreich vor dem Hintergrund ihrer tagtäglichen Praxis. Nach der ersten Umfrage aus dem Jahr 2019 wurde diesmal auch der Einfluss von Corona mit einbezogen. Auch der Frage, wie stark bereits Säuglinge und Kleinkinder gesundheitlich betroffen sind, wurde in der Umfrage nachgegangen.

Rund 450 Mediziner aus sechs Bundesländern (Wien, Niederösterreich, Salzburg, Burgenland, Kärnten und Vorarlberg) kamen dem Aufruf nach und nahmen an der Umfrage teil. 

"Ein Leben in Armut schädigt die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Das ist wissenschaftlich vielfach bestätigt und keine Neuigkeit. In unserer gemeinsamen Umfrage wollten wir daher genauer beleuchten, wie vielfältig diese Schädigungen sein können und wie früh sie beginnen können. Die Ergebnisse sind alarmierend und zeigen großen Handlungsbedarf", erklärt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich.

95% der Ärzte sagen: Arme Kinder sind öfter krank

Dabei zeigte sich eine deutliche Relation zwischen Familieneinkommen und Gesundheit. 85% der befragten Ärzte beobachteten, dass armutsbetroffene Kinder und Jugendliche häufiger krank sind. Bei den Kinderärzten waren es insgesamt 90%. In Wien, Salzburg und Vorarlberg sagten sogar 100% der teilnehmenden Kinderärzte, dass armutsbetroffene Kinder häufiger krank sind.

Als Hauptgründe für Krankheiten sehen die Ärzte Psychosomatik, schlechtere Ernährung und weniger Bewegung.
Als Hauptgründe für Krankheiten sehen die Ärzte Psychosomatik, schlechtere Ernährung und weniger Bewegung.
Screenshot Umfrage "Kinderarmut und Kindergesundheit"

Befragt nach den möglichen Ursachen gaben 82% der Ärzte an, dass Kinder aufgrund der psychosomatischen Folgen der Armutslage häufiger krank seien. Also etwa durch schlechte Wohnverhältnisse, wie Schimmel oder Kälte, aber auch Mobbing und Stress. Bei den Kinderärzten nannten sogar 89% diese Ursache. Auf Platz 2 und 3 der Ursachen für häufigere Krankheit wurden "Hohe Kosten für gesunde Ernährung" und "fehlende bewegungsfördernde Angebote im Kleinkindalter" genannt. Rund ein Viertel der Ärzte nannte auch Diskriminierungserfahrungen als Grund für die häufigeren Erkrankungen. "Ein Faktor, der in der Armutsforschung noch zu kurz kommt", so die Ärztekammer.

Corona-Krise als besondere Belastung

85% der befragten Mediziner gaben an, dass armutsbetroffene Kinder in ihrer Wahrnehmung in der Coronakrise stärker psychisch belastet wurden als Kinder aus finanziell gut abgesicherten Familien. Bei Kinderärzten sowie Kinder- und Jugendpsychiatern sind es sogar 91 Prozent, die diese Einschätzung teilen. Daher fordern viele Ärzte unter anderem den Ausbau an Psychotherapieplätzen.

Auch der Präsident der Wiener und Österreichischen Ärztekammer Thomas Szekeres sieht eine Verschärfung der Situation armutsbetroffener Kinder durch die Corona-Pandemie: "Die Zahl von psychisch bedingten Erkrankungen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, ist in die Höhe geschnellt, das Betreuungsangebot im Gegenzug aber nicht. Es ist höchste Zeit, hier effektiv gegenzusteuern".

Schon Kleinkinder sind bereits stark betroffen

Sechs von zehn Befragten bemerkten in ihrer beruflichen Praxis bei Armutsbetroffenen auch einen schlechteren Gesundheitszustand schon im Säuglings- und Kleinkindalter. 83% der Kinderärzte teilten diese Einschätzung. Genannt wurden unter anderem Entwicklungsverzögerungen im sprachlichen und motorischen Bereich. Die Volkshilfe fordert daher den massiven Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen für alle Altersgruppen und den Ausbau an niederschwelligen, kostenfreien Angeboten für Eltern und Kleinkinder.

Ärzte fordern starke finanzielle Absicherung von Kindern

76% der Befragten erklärten, es brauche eine starke finanzielle Absicherung von Kindern und Jugendlichen, um gesundheitliche Ungleichheiten auszugleichen. "Wir wissen aus unserer Forschung, dass eine Kindergrundsicherung wirkt und die gesundheitlichen Belastungen und Symptome der Kinder durch die nachhaltige finanzielle Sicherung deutlich abnehmen. Dass auch die Mehrheit der befragten Ärztinnen und Ärzte eine starke finanzielle Absicherung fordert, bestätigt unseren Weg im Kampf gegen Kinderarmut und für die Einführung einer Kindergrundsicherung in Österreich", so Fenninger.

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