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So rauben uns die Game-Entwickler den Spielspaß

In der Gamewelt ist eine heftige Diskussion um Mikrotransaktionen entbrannt. Die Branche macht sich damit einen zu kurzsichtigen Gefallen.

Heute Redaktion
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Stellen Sie sich vor, sie kaufen sich Wellness-Ferien in einem Luxushotel direkt am Meer mit allem, was Sie sich wünschen: Einen makellosen Strand, Saunen und Bäderlandschaften, Massage- und Beauty-Angebot sowie erstklassige Restaurants und eine Cocktail-Bar. Sie haben viel Geld dafür bezahlt, stürzen sich ins Vergnügen – und stellen fest, dass Sie zu all den schönen Orten nur gegen Geld Zugang haben. Oder nur dann, wenn Sie genügend Treuepunkte gesammelt haben.

In dieser Lage sehen sich derzeit Gamer, wenn sie ein Spiel wie "Mittelerde: Schatten des Krieges" oder "Call of Duty: WWII" kaufen. Sie blättern fürs Spiel 40 bis 60 Euro und mehr hin (für die Deluxe-Edition auch mal 90 Euro). Beim Spielen stellen sie aber fest, dass das Beste – die großen Helden, die besten Waffen, die epischen Momente – entweder nur gegen zusätzliches Geld oder sehr viel Geduld zu haben ist: Wenn sie das Game so lange spielen, bis genügend Punkte für die Freischaltung der Goodies gesammelt sind – was dauern kann. Die Rede ist vom Geschäft mit den Mikrotransaktionen und Loot-Boxen und dem Sturm der Entrüstung, den die neueste Erfindung der Gamebranche ausgelöst hat.

Fiese Tricks

Selbstverständlich gehören Herausforderung mit anschließender Belohnung zu einem Game, wie die rote Mütze zu Super Mario. Auch verschlingt die Herstellung von Blockbuster-Games bis zu dreistellige Millionenbeträge und irgendwie muss das Geld wieder eingespielt werden. Fließt der Cash, lassen sich allfällige zukünftige Flops abfedern – und zudem wollen auch die Aktionäre bei Laune gehalten werden. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, das sehen wohl auch diejenigen Gamer so, die bereit sind, fürs schnellere Spielvergnügen in die Tasche zu greifen.

Im Grunde aber handelt es sich um ein hinterhältiges Game mit Lust und Frust. In der Free-to-Play-Welt (von der die Idee stammt) nennt man es "Fun Pain" – ein Trick, der Spieler genau so viel leiden lässt, bis sie zum Geldbeutel greifen, um den Schmerz zu lindern. Da sich Spieler aber oft nicht sicher sind, welches Game-Goodie sie gegen ihr Geld erhalten, wird die Praxis von kritischen Seiten als Glücksspiel bezeichnet – etwas, das unters Glückspielgesetz fällt.

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Kurzsichtiges Denken

Mit der Idee, so ans schnelle Geld zu kommen, schießt sich die Branche ins eigene Knie. Sie gibt sich zwar nahe an der Game-Community, profitiert von ihren Ideen und Anregungen, ist sich gleichzeitig aber nicht zu schade, sie für den schnellen Cash zu melken. Dass hier die Wogen hochgehen und beispielsweise Electronic Arts fürs Game "Star Wars: Battlefront II" ins Kreuzfeuer geraten ist, versteht sich von selbst.

Forderung an die EU

Laut belgischen Behörden sind Loot-Boxen in Games wie "Star Wars: Battlefront II" als Glücksspiel zu bewerten. Der Justizminister, Koen Geens, möchte Käufe in Videospielen mit Hilfe der EU am liebsten ganz verbieten. Denn diese seien "gefährlich für die psychische Gesundheit", wie Geens gegenüber "VTM Nieuws" erklärt.

EA hat denn auch bereits reagiert und die Idee mit den Mikrotransaktionen vorerst wieder fallen gelassen. Andere fangen gar nicht erst damit an: So sagte der Studiochef von CD Project RED ("Witcher"-Serie), Adam Kicinski, er überlasse die Gier lieber den anderen. Sein neuestes Werk "Cyberpunk 2077" solle ein ehrliches Werk bleiben.

Abschließend handelt es sich bei den Mikrotransaktionen um ein kurzsichtiges Denken: Zwar sind Spieler bereit, fürs Vergnügen zusätzlich in die Tasche zu greifen, das Vertrauen geht langfristig aber verloren. Wer will wirklich Geld für ein Spiel ausgeben, dessen Inhalt vielleicht unvollständig ist und wofür mit zusätzlichen Ausgaben zu rechnen ist? Oder würden Sie ein Wellness-Hotel buchen, wenn Sie nicht wissen, unter welchen Umständen Sie die Sauna benutzen dürfen?