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Übte Putin Bombardierung halb Europas?
Bei der Militärübung "Sapad 2017" sollen entgegen der Beteuerungen Moskaus offensive Szenarien trainiert worden sein. Das sagen Geheimdienstquellen.
Panzer, Kampfjets, Kriegsschiffe und 100.000 Mann nahmen am russisch-weißrussischen Militärmanöver "Sapad 2017" (Westen 2017) teil, das die baltischen Nachbarn bange verfolgten. Moskau beteuert die "streng defensive Natur" der Übung im Herbst. Doch westliche Geheimdienstler sprechen nun vom Gegenteil.
Es sei etwa die Eroberung der baltischen Staaten und eine "Schock-Kampagne" gegen westeuropäische Staaten wie Deutschland, Polen oder Holland simuliert worden. Heißt: Bombardierungen und Einmärsche. Insgesamt habe es sich um eine "Trockenübung" für einen "vollständigen konventionellen Krieg in Europa" gehandelt, zitiert "Bild" ihre Quellen.
Putin will "nationale Interessensphäre" schützen
Stefan Meister von der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik" stimmt mit den "Bild"-Quellen überein: "Viele dieser Fakten sind in Kreisen von Militärexperten unumstritten." Der Grundgedanke der Sapad-Übung sei eine Präventivmaßnahme als Reaktion auf eine akute Bedrohung für Russland gewesen: "Sobald man sich angegriffen fühlt, würde man zurückschlagen und dann in die Offensive gehen."
Auslöser dafür könnte etwa eine militärische Konfrontation innerhalb Putins "nationaler Interessensphäre" sein, schreibt "Bild" weiter. In diese fallen etwa Weißrussland, die Ukraine oder Georgien. Meister stimmt auch hier zu. Dass Europa im Zuge der Ukrainekrise seit 2014 an einem Krieg vorbeigeschrammt sei, glaubt er aber nicht: "Zwar glaubt Putin, der Machtwechsel in der Ukraine sei von den USA orchestriert worden, und hat darum die Krim annektiert und Soldaten in den Osten des Landes entsandt."
Doch bei einem Machtwechsel oder einer zu starken Annäherung an den Westen etwa in den baltischen Staaten oder Weißrussland würden die russischen Grenzen direkt bedroht. "In der Ukraine geht es dagegen darum, die Einflusssphäre des Kremls zu erhalten."
Im Baltikum wächst die Angst vor Russland
Seit einigen Jahren lotet Russland systematisch seine Grenzen aus, etwa mit dem Überfliegen von Nato-Territorium. "Daher hat das Militärbündnis wieder angefangen, Moskau als Bedrohung zu sehen und seinen Blick nach Osten gerichtet", sagt Russland-Kenner Meister. Die gegenseitige Abschreckung – auch die USA führen Militärmanöver durch, etwa mit ukrainischen Streitkräften – erinnere durchaus an den Kalten Krieg: "Doch Russland ist militärisch längst nicht so stark, wie es die Sowjetunion damals war. Und es gibt heute sehr viele neue Möglichkeiten der Cyber-Kriegsführung."
Die Angst vor Russland wächst in den baltischen Staaten und Skandinavien. Diese sei teilweise berechtigt, so Meister: "Sie ist aber auch stark emotional und historisch gefärbt." In westeuropäischen Gesellschaften ist das Feindbild Moskau laut Meister aber nicht mehr so präsent: "Zurzeit scheint der Anti-Amerikanismus sogar stärker zu sein als die Abneigung gegenüber einem aggressiven Russland."
"Moskau nutzt Atomwaffen als Druckmittel"
Laut den "Bild"-Quellen würde eine militärische Operation, wie sie bei "Sapad 2017" geprobt wurde, den letzten Schritt vor einem Atomkrieg mit dem Westen darstellen. Meister sagt dazu: "Moskau nutzt Nuklearwaffen anders als die USA. Für Putin sind sie als Druckmittel ein fester Teil der strategischen Planung." Die Drohung mit Atomschlägen solle im Ernstfall die Unterlegenheit bei konventionellen militärischen Mitteln ausgleichen.
Müssen wir uns vor Putin mehr fürchten als vor Kim Jong-un, der auch über Nuklearwaffen verfügen soll? Sowohl er als auch Putin dürften nicht unter-, aber auch nicht überschätzt werden, sagt der Experte: "Beide denken rational und haben ihre Atomwaffen als Rückversicherung." Es sei aber eine Tatsache, dass Russland gezielt sein nukleares Arsenal modernisiere, so Meister: "Die Politik müsste sich wieder vermehrt mit Abrüstungsabkommen befassen." (nk)