Haustiere

Herr Doktor, muss ich dem Haustier die Zähne putzen?

In Europas modernster Tierklinik, dem Vetklinikum im 23. Wiener Gemeindebezirk eröffnete kürzlich auch eine Zahnklinik für Tiere. "Heute" war vor Ort.

Christine Kaltenecker
Diplomate für Zahnheilkunde für Kleintiere, Dr. Matthias Eberspächer-Schweda erzählte uns wie man das Haustiermaul sauber hält.
Diplomate für Zahnheilkunde für Kleintiere, Dr. Matthias Eberspächer-Schweda erzählte uns wie man das Haustiermaul sauber hält.
Getty Images/iStockphoto

Dass erst im letzten Oktober eröffnete Vetklinikum im 23. Wiener Gemeindebezirk, wurde gut geplant, gut durchdacht und noch besser durchgeführt, denn kaum eine Frage zur Haustier-Gesundheit bleibt von den höchsten Fachkräften jeder Abteilung unbeantwortet. Das Konzept in Kooperation mit den österreichischen Tierärzten scheint gut angenommen zu werden. Die Patienten werden bei herausfordernden Belangen und spezifischen Behandlungen auch gerne in die "modernste Tierklinik Europas" überwiesen.

Statt Impfen und Entwurmen steht hier von der Chirurgie bis zur Physiotherapie alles am Plan - auch seit kurzem die Zahnheilhunde und Kieferorthopädie. "Heute" war mit Oberarzt, Diplomate AVDC, Dr. Matthias Eberspächer-Schweda im Gespräch.

Wie wichtig ist die Zahnpflege bei Hund und Katze wirklich?

Die Pflege der Zähne unserer Haustiere ist eigentlich essentiell, da wir weder Hund noch Katz' so ernähren, wie es für das Gebiss notwendig wäre. Der Aufbau der Zähne hat nun einmal bei Fleischfressern den Sinn und Zweck zu jagen und zu reißen. In Obhut des Menschen macht dies aber kaum noch ein Tier. Deshalb wird das Raubtiergebiss nicht mehr auf natürliche Art und Weise gesund gehalten.

Gewusst?
Das Bürsten der Zähne wurde an einem Hund entwickelt – sprich, für die menschliche Zahnhygiene waren Hundemäuler in der Forschung verantwortlich. Wasser, Bürste, Paste– dies alles wurde vorerst in einem Hundemaul erprobt.

Die Konsequenz sind Zahnerkrankungen und Zahnentzündungen bei Hund und Katze und die kann man nur mit Zähneputzen vorbeugen.

Sehr viele "Zaubermittel" am Markt versprechen auch ohne Zähneputzen gesunde Zähne - stimmt das und können Sie etwas empfehlen?

Also, diverse Mittel, um dem Menschen das unangenehme Zähneputzen beim Hund oder der Katze zu ersparen gibt es defacto nicht. Natürlich gibt es unterstützende Zahnpflegeprodukte und spezielle Kauartikel, die die Zahnsteinbildung hinauszögern, aber nur das regelmäßige Putzen sorgt für dauerhaft gesunde Zähne. Würden diverse Gels, Flüssigkeiten, Silber-Nitrate den Zahnbelag einfach wegspülen, würden wir wohl als erster das Zähneputzen aufgeben, oder? Also ich putz mir meine Zähne nicht mittels einer Tablette … Sie? (lacht)

Der Hund hat natürlich schon - bis zu einem gewissen Grad - ein selbstreinigendes Jagdgebiss. Soll heißen, sie reinigen ihre Zähne auch passiv wenn sie viel spielen, herumtragen und kauen. Es gibt also durchaus auch Hunde, die selten oder erst sehr spät Zahnbelag und Zahnstein bekommen, weil sie ihr Maul ständig "beschäftigen". Das effektivste Mittel allerdings bleibt die Zahnbürste.

Das heißt, ich muss meinem Hund jetzt tatsächlich zweimal pro Tag die Zähne bürsten?

Aufgrund seiner Selbstreinigung beim Kauen, Spielen und Tragen, reicht die einmalige Zahnpflege pro Tag. Bei Zeitmangel kann man die Hundezähne auch erst jeden zweiten Tag putzen, vorausgesetzt der Hund bekommt alternierend an den Nicht-Putz-Tagen irgendwelche Zahnpflegeprodukte wie besondere Knabberstangen oder Kauspielzeug.

Hier muss man leider auch die Rassen unterscheiden, denn brachycephale Hunde und Katzen mit zu kurzen Schnauzen und Atemnot dürfen natürlich keine Erstickungsanfälle beim Kauen bekommen und haben weniger Platz für 42 Zähne des fertigen Hundegebisses. Die Zähne drehen sich also und haben weniger Zwischenräume wie bei einer anderen Hunderasse und somit auch mehr Zahnbelag und Zahnstein.

Ich sollte also schon beim Welpen beginnen?

Unbedingt, auch wenn hier natürlich nicht die Reinigung im Vordergrund steht, da die Milchzähnchen nach spätesten sechs Monaten ausfallen. Das Training am Welpen und die Gewöhnung allerdings, ist für die zukünftige Zahnhygiene großartig und wird für den Hund zur Routine wie Autofahren.

Ein Hund hat vermutlich mehr oder andere Bakterien im Maul als wir. Wie oft wechsle ich die Zahnbürste?

Die Bakterienflora ist natürlich eine andere, aber im Grunde können wir hier ähnliche Zeiträume einhalten wie auch bei uns. Einmal pro Monat würde ich die Bürste wechseln. Auch bitte nie die Zahnbürste zwischen den Haustieren tauschen - also, zwei Hunde, zwei Zahnbürsten und auch nicht eine alte Bürste von einem selbst verwenden.

Gewusst?
Der Hund bekommt praktisch keine Karies. Die Inzidenz spricht hier von zwei bis fünf Prozent aller Hunde.

Muss ich dem Hund eine spezielle Hunde-Zahnbürste kaufen, oder kann ich auch auf "Oral-B" oder "Dr. Best" zurückgreifen?

Theorethisch kann man auch eine "menschliche" Zahnbürste verwenden, solange das Größenverhältnis stimmt. Bei einem Chihuahua-Maul wird man sich selbst mit einer Kinderzahnbürste schwer tun, aber im Prinzip geht es um das Putzen an sich, mit einem weichen Bürstenkopf, der den Hund nicht verletzten kann.

Wie oft sollte ich meinem Hund denn Kaupflegeprodukte geben?

Das ist so eine Sache, denn das Wort "Kaupflegeprodukt" ist nicht geschützt, soll heißen, auch dein linker Schuh kann ein Kaupflegeartikel sein. Für uns Tierzahnmediziner ist es deshalb sehr schwierig die Spreu vom Weizen zu trennen und bei den vielen Artikeln unterscheiden zu können, was wirklich effektiv ist und was nicht. Zu hart? Zu weich? Soviel ist aber sicher: Richtige Kaupflegeprodukte enthalten zumindest Kalzium und Phosphor aus dem Speichel binden und so eine Zahnsteinbildung verlangsamen.

Wie sehr spielt das Futter eine Rolle in der Zahnpflege?

Die Konsistenz des Futters spielt eine Rolle. Hunde haben ein schneidendes Gebiss und Kauen nicht auf Kauflächen wie wir Menschen. Ihre Zähne gleiten ineinander wie die Schenkel einer Schere und werden nur dann gereinigt, wenn sie dies auch mehrmals tun dürfen - bei Pasteten und Feuchtfutter wird nicht "gerissen", nur geschlungen und der Zahn ist eigentlich unnötig.

Barfen oder Frischfutter ist toll, aber sollte in entsprechendem Volumen gereicht werden und nicht mundgerecht ins Schüsserl kommen. Für die Zahngesundheit soll der Hund kauen, nicht nur schlucken.

"Bei Tieren geht es um Funktionalität, nicht um Ästhetik!"

In den letzten Jahren hat sich ja in der Zahnmedizin recht viel für unsere Haustiere getan. Sogar Zahnspangen und Kronen lässt man machen. Ist das nicht zuviel des Guten?

Solche Behandlungen sind sehr stark Indikationsabhängig. Was habe ich für einen Hund und welchen Zweck hat er? Eine Zahnkrone ist natürlich für einen Couch-Potatoe, der zweimal täglich Feuchtfutter bekommt und keine andere Aufgabe hat, als zu kuscheln und zu spielen ein wenig übertrieben, macht aber bei einem Polizeihund, der ohne Zahn aus dem Dienst ausscheiden müsste, Sinn.

Gleiches bei Zahnspangen. Einem Hund mit einer angeborenen Kieferfehlstellung wie ein Mops oder eine Französische Bulldogge wird eine Zahnspange nichts nützen, da man den zu langen Unterkiefer nicht kürzen kann. Bei Hunden, wo die Eckzähne beispielsweise in den Gaumen stechen und sie sich verletzten, wenn sie das Maul schließen, muss man die Zähne gerade rücken, um Lebensqualität zu gewährleisten.

Bei unseren Haustieren geht es aber grundsätzlich um Funktionalität – nicht Ästhetik.

Ein Spruch besagt, dass eine Katze die Mäuse jagt, gesunde Zähne hat - stimmt das?

Das stimmt. Das Gebiss der Katze kann hier genau das tun, wofür es gemacht ist: Jagen, töten, Fleisch vom Knochen reißen und zerlegen.

Welches Zahnproblem haben die Haustiere der Österreicher am Häufigsten?

Die Parodontitis - eine Entzündung des Zahnhalteapparates, welche bei 90 Prozent auf mangelnde Hygiene zurückzuführen ist.

Und wie genau soll ich meiner Katze die Zähne putzen?

Das ist sogar einfacher als beim Hund, da Katzen meistens sehr neugierig auf kleine Bürsten sind und gar nicht so selten darauf herumbeißen möchten. Man schmiert am besten etwas Lachscreme oder irgendeine Pastete auf die kleine Zahnbürste, drückt sie unter die Oberfläche der Borsten und lässt die Katze einfach mal schauen - sie wird zunächst schlecken und dann wahrscheinlich daran herumkauen.

Sobald sie kaut, putzt sie sich die Zähne. Den Bürstenkopf für einen Durchgang nach oben halten - beim nächsten Mal nach unten halten und das Katzengebiss ist gereinigt.

Was mach ich jetzt aber, wenn sich mein Haustier einfach komplett unkooperativ zeigt und sich nicht die Zähne putzen lässt?

Das ist natürlich möglich, denn das Öffnen des Mauls löst bei manchen Hunden einfach Panik aus, wenn man es nicht trainiert hat, oder vielleicht sogar ein Trauma vorliegt. Wir raten generell jedem Haustierhalter, einmal im Jahr zur Zahnkontrolle zu einem Spezialisten zu kommen und wenn notwendig dann auch eine Zahnreinigung durchzuführen.

Das erste Indiz für eine Entzündung und Bakterien in der Maulhöhle ist der Mundgeruch – dieser sollte immer abgeklärt werden, denn so eine Entzündung kann aufgeschoben irgendwann auf den ganzen Körper übergehen. Vor allem alte Hunde haben zu 70 bis 80 Prozent Schmerzen in der Maulhöhle und schlafen deshalb vermehrt und werden laut dem Halter "alt". Ein Hund wird nicht "alt" - der Bewegungsapparat ja, aber das Wesen nicht.