Ukraine

Selenski mit Forderung an EU: "Dieses Jahr ist es Zeit"

Der ukrainische Präsident macht erneut Druck bezüglich eines möglichen EU-Beitritts seines Landes. Nach 16 Monaten Krieg brauche man eine Perspektive.

Wolodimir Selenski will seinem Land eine langfristige Perspektive bieten. 
Wolodimir Selenski will seinem Land eine langfristige Perspektive bieten. 
IMAGO/Ukrinform

Donnerstag und Freitag treffen die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten zu einem Gipfel aufeinander. Zentrale Themen sind, wieder einmal, die Migration sowie der Krieg in der Ukraine. Im Zusammenhang mit der Ukraine wird primär über neue Unterstützung verhandelt. Zu Beginn des Gipfels wurde Wolodimir Selenski zugeschalten – am Abend dann nutzte er seine tägliche Videoansprache, um einen Appell an die EU-Staaten zu richten. 

Erneut forderte er eine möglichst baldige konkrete EU-Beitrittsperspektive für sein Land, nachdem die Chancen hinsichtlich einer Aufnahme ins Militärbündnis Nato angesichts des akuten Konflikts quasi nicht vorhanden sind. "Die Ukraine hat Einfluss auf die Stärke Europas. Das ist ein Fakt", meinte er in seiner donnerstäglichen Videoansprachen. "Und dieses Jahr ist es an der Zeit, diesen und andere Fakten zu nutzen, um die Einheit in Europa zu stärken – angefangen beim Start von Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft der Ukraine."

Entscheidungen nahen

Letztes Jahr hatte die EU das kriegsgebeutelte osteuropäische Land bereits offiziell zum Beitrittskandidaten gemacht. Von den sieben Voraussetzungen, die ein Land für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erfüllen muss, kann die Ukraine bisher zwei geltend machen. In dem traditionell stark von Korruption geplagten Land geht es hier etwa um die Bekämpfung ebendieser – vor allem auf hoher Ebene. Weitere Voraussetzungen stehen im Zusammenhang mit der demokratischen Verfasstheit, einer rechtsstaatliche Ordnung sowie einer funktionierenden Marktwirtschaft. Nun steht eine wichtige Entscheidung bevor. 

Im Oktober wird die EU-Kommission entscheiden, ob sie gegenüber den Staats- und Regierungschefs eine Empfehlung ausspricht, Beitrittsgespräche mit der Ukraine zu starten. Trotz der immanenten Wichtigkeit dieser Entscheidung stellt selbst eine Zustimmung keine Garantie für eine tatsächliche Mitgliedschaft dar. Nach dem Fortschrittsbericht der Kommission obliegt das weitere Vorgehen den Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten, die darüber im Rahmen des Gipfels im Dezember entscheiden könnten. Die Ukraine zeigt sich in Person Selenskis jedenfalls bereit: Man sei "entschlossen, so bald wie möglich vollständig auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen vorbereitet zu sein, und das werden wir auch tun".

Zurückhaltende Gipfelteilnehmer 

Obwohl der Ukraine-Krieg ein zentrales Thema beim aktuell stattfindenden Gipfel ist, kommt eine mögliche Mitgliedschaft des Landes nicht zur Sprache. Selbiges gilt für Sicherheitsgarantien für die Zeit nach dem russischen Angriffskrieg – hier üben sich die Gipfelteilnehmer in Zurückhaltung. Am Donnerstag reichte der Konsens unter den Staats- und Regierungschefs lediglich für eine vage Absichtserklärung für "künftige Sicherheitszusagen". Östlichen Ländern bereitet indes die Verlegung von Wagner-Soldaten nach Belarus große Sorgen. 

Zu Beginn des Gipfels fanden Beratungen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg statt. Gegenüber dem "Spiegel" meinte ein EU-Diplomat anschließend, dass die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus in Kombination mit der Verlegung von Söldnern ein "explosiver Cocktail" werden könnte. Trotz der instabilen Situation müsse die EU weiterhin ruhig bleiben und die Ukraine unterstützen, so gut es geht. 

Hintergrund der vagen Sicherheitszusagen war die Haltung von Irland, Malta und – wie könnte es anders sein – Österreich. Die drei Staaten wollen neutral bleiben, weswegen sie auch nicht Teil der Nato sind. Kanzler Karl Nehammer meinte diesbezüglich am Rande des Gipfels: "Da ist es für uns als neutrale Staaten klar, dass es diese so nicht geben kann."

1/6
Gehe zur Galerie
    Nach seinem kürzlichen Besuch in der Nähe von Bachmut besucht Wolodimir Selenski am Montag erneut Armeestellungen an der Front, diesmal in Saporischschja.
    Nach seinem kürzlichen Besuch in der Nähe von Bachmut besucht Wolodimir Selenski am Montag erneut Armeestellungen an der Front, diesmal in Saporischschja.
    via REUTERS