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Mit Feuer und Rasierklingen gegen 5G-Masten

In Großbritannien kommt es vermehrt zu Anschlägen gegen Telekommunikations-Anlagen. Die Vandalen befürchten, dass 5G am Coronavirus schuld sei.

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    In Großbritannien werden viele 5G-Anlagen zerstört.
    In Großbritannien werden viele 5G-Anlagen zerstört.
    picturedesk.com

    Für den Telefonantennen-Monteur Naveed Qureshi ist es ein Arbeitstag wie jeder andere. Mit seinem Transporter fährt er in East London in England zur nächsten Telekommunikationsanlage, da ein Kunde dort Probleme mit seinem Festnetzanschluss hat. Es handelt sich also um Routinearbeit. Als Qureshi aber vor der betroffenen Anlage anhält, klopft eine ältere Frau an seine Autotür. Sobald er sich auf ein Gespräch einlässt, fliegen ihm Beleidigungen entgegen. Er sei ein Mörder, ein Auftragskiller und er "solle sich in Acht nehmen", heißt es.

    Oureshi ist nicht der einzige englische Monteur, der sich in letzter Zeit solchen Anschuldigungen aussetzen muss. Wie "The Verge" berichtet, ist die Wut und die Gewalt von Verschwörungstheoretikern gegen Telefonantennen und deren Monteure in Großbritannien auf einem neuen Hoch angelangt. Denn sie glauben, dass 5G-Strahlung hinter der Corona-Krise und der Ausbreitung des Virus steckt. "Alles Argumentieren hilft nichts, sie wollen einfach an diese Lüge glauben", sagt Qureshi gegenüber "The Verge". Das Paradoxe an der Geschichte: Qureshi hat noch nie in seiner ganzen Karriere an 5G-Antennen gearbeitet.

    Rasierklingen an Masten angebracht

    Laut der Vereinigung Mobile UK kam es seit dem 30. März 200 Mal zu Anschlägen bei Telefon-Masten und Telekommunikationsanlagen. Bei 90 Fällen konnte Brandstiftung festgestellt werden. Auch hierbei handelte es sich vielfach um 3G- oder 4G-Anlagen und nicht, wie von den Vandalen vermutet, um 5G-Anlagen. Die Gewalt richtet sich aber nicht nur gegen die Anlagen, sondern auch gegen die Monteure selbst. So wurden bei gewissen Antennen Rasierklingen oder Nadeln angebracht, an denen sich die Arbeiter verletzen sollen.

    Vodafone UK-CEO Nick Jeffery hat sich zur Lage in Großbritannien auf Linkedin geäußert. Dort schreibt er: "Es zerreißt mir das Herz, dass Familien in diesen schweren Zeiten ihre Geliebten am Krankenbett nicht besuchen können. Es ist aber noch ärgerlicher, wenn ihnen der kleine Trost, mit den Familienmitgliedern per Telefon oder Internet zu kommunizieren, wegen ein paar verrückten Verschwörungstheoretikern genommen wird."

    Auf Social Media organisiert

    Bei den Anschlägen handelt es sich nicht selten um organisierte Attacken. Diese werden beispielsweise über Facebook koordiniert. Eine der meistbenutzten Gruppen, 5G Tower Fire Comp, wurde mittlerweile von Facebook gelöscht. Dort wurden beispielsweise Karten mit möglichen 5G-Antennen-Standorten geteilt und mit "ihr wisst, was zu tun ist" kommentiert.

    Zu solchen Vorfällen kommt es aber nicht nur in Großbritannien. Auch in den Niederlanden, Irland, Belgien, Italien, Schweden und auf Zypern kam es zu Anschlägen gegen Telekommunikationsanlagen. Die Gewalt in Großbritannien scheint aber besonders ausgeprägt und durch den nationalen Lockdown aufgrund der Corona-Krise nur noch angefeuert worden zu sein.

    Wie ist die Lage in Österreich?

    Ein Zusammenhang zwischen dem Coronavirus und 5G-Strahlung kann laut der Fact-Checking-Expertin der NGO Full Fact, Grace Rahman, ausgeschlossen werden. Diese Verschwörungstheorie sei im Jänner erstmals aufgekommen, als klar geworden sei, dass der Ursprung des Coronavirus in Wuhan liege, wo es auch ein Testgelände für 5G-Strahlung gebe. Dass es solche Einrichtungen auch in vielen anderen Ländern gebe, denen das Coronavirus nicht entstammt, werde dabei nicht berücksichtigt.

    Zwar ist es in Österreich bisher nicht zu solch drastischen Anschlägen gekommen, dennoch glauben einige Bürger, dass 5G-Strahlung krankt machen und Krebs auslösen kann. Die Bundesregierung hat dazu im Jahr 2020 sogar eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Anfang 2020 präsentiert wurden. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass derzeit "keine eindeutige und konsensuale Feststellung des gesundheitlichen Risikopotenzials bezüglich etablierter Mobilfunkstrahlung absehbar ist". Es wird aber auch darauf verwiesen, dass "anspruchsvolle Studien notwendig wären bzw. fehlen". Auch in Österreich kam es zu mehreren kleineren Demonstrationen gegen die 5G-Technologie.

    Ist 5G-Strahlung gefährlich?

    Die Weltgesundheitsorganisation WHO klassiert Strahlung von Handys als möglicherweise krebserregend. Zum Beispiel wurde in einer großen amerikanischen Studie bei männlichen Ratten eine Zunahme des Risikos für einen Herztumor beobachtet. Die bestrahlten männlichen Ratten lebten jedoch länger als die unbestrahlten, und es wurde keine Zunahme bei weiblichen Ratten und bei Mäusen gefunden.

    "Bei Menschen wurde bisher keine Zunahme der Hirntumore beobachtet, die mit der Zunahme der Handynutzung in den letzten 30 Jahren übereinstimmt", so Martin Röösli, Professor am Tropen- und Public-Health-Institut der Universität Basel. Ein Restrisiko lasse sich nie 100-prozentig ausschließen. Ein solches Risiko wäre aber klein im Vergleich zu anderen Krebsrisiken wie Rauchen oder Luftschadstoffen.