Klimaschutz

Klimatologe überrascht: "Es passiert sehr Seltsames"

Eine extreme Anomalie im Atlantik gibt Klimaforschern Grund zur Sorge. Die Wassertemperatur hat ein Allzeithoch in der Messgeschichte erreicht. 

Roman Palman
Eine Familie an der südwestfranzösischen Atlantikküste bei Biarritz. Archivbild.
Eine Familie an der südwestfranzösischen Atlantikküste bei Biarritz. Archivbild.
Bob Edme / AP / picturedesk.com

Seit Beginn der Satellitenmessungen vor 40 Jahren war der Nordatlantik noch nie so warm wie aktuell. Die Wasseroberflächentemperatur befindet sich auf einem anhaltenden Rekordniveau für diese Jahreszeit. Im Mai 2023 lag sie bereits bei 19,9 Grad (0,1 Grad höher als 2020), am 11. Juni hatte sie bereits 22,7 Grad erreicht – ganze 0,5 Grad höher als im Jahr 2010.

Das könnte nach Forscherangaben womöglich einen heißen Sommer und heftigen Starkregen für Mitteleuropa zur Folge haben. Die Meeresregion ist Mitte Juni sogar um rund ein Grad wärmer als im Schnitt des Vergleichszeitraums 1982 bis 2011, wie aus Daten der US-Klimabehörde NOAA hervorgeht.

"Das liegt deutlich außerhalb des Rahmens und ist sehr besorgniserregend", kommentiert François Lapointe von der University of Massachusetts Amherst das Geschehen. Dass die Wassertemperatur in den Ozeanen periodisch ansteigt, ist zwar normal, allerdings nicht in diesem Ausmaß.

"Es passiert etwas sehr Seltsames", schreibt auch der Klimatologe Brian McNoldy von der University of Miami. "Alles geht so schnell, dass es schwer ist, das Ausmaß dieser Anomalie zu erfassen, geschweige denn ihre Konsequenzen."

Luft zu sauber?

Eine der möglichen Ursachen könnte ausgerechnet saubere Luft sein! Weil die weltweite Schifffahrt seit 2020 nur Kraftstoffe mit 0,5 statt 3,5 Prozent Schwefel verbrennen darf, haben sich die Schwefel-Emissionen um 70 Prozent reduziert. Die Sulfat-Aerosole aus den Schornsteinen hatten eine kühlende Wirkung, da sie das einfallende Sonnenlicht dämpfen. Ebenso auch Sahara-Staub, der periodisch über den Atlantik geweht wird.

Dieser Grauschleier hat nun merklich abgebaut, weshalb mehr Licht und somit Wärme auf die Ozeane treffen kann. "Mit der Abnahme der Luftverschmutzung geht eine zusätzliche Erwärmung einher", erklärt dazu Klimaexperte Martin Stendel vom Dänischen Meteorologischen Institut (DMI) gegenüber der deutschen "Bild"-Zeitung. Auch für ihn sind die aktuellen Daten Grund zur Sorge: "Vergleichbares ist noch nie geschehen, seit wir Temperaturbeobachtungen haben."

Alleine könne die sauberer Luft das aber nicht bewirken, meint Stendel. Zusätzlich sorge ein stabiles Hochdrucksgebiet über der Nordsee seit drei Wochen für eine Blockade der normalen Luftströmung. "Das führt dazu, dass die Passatwinde nicht wie üblich aus dem Nordosten, sondern eher aus dem Westen wehen. Dies transportiert warmes Wasser in den Nordatlantik".

Folgen für Europa

Welche Faktoren in welchem Ausmaß für den Temperaturrekord sorgen, ist nicht klar. Fix ist aber, dass eine solch dramatische Erwärmung Folgen haben kann. "Die Erwärmung des Nordatlantik kann großen Einfluss auf unser Wetter haben. Wir haben ja die allermeiste Zeit Westwind-Wetterlagen: ein höheres Potenzial für schwere Stürme!", warnt Meteorologe Dominik Jung von Wetter.net im "Bild"-Gespräch.

El Niño sprengt Rekorde

Aber nicht nur der Atlantik ist betroffen. Das Wetterphänomen El Niño führt derweil zusätzlich zu steigenden Temperaturen an der Wasseroberfläche im Pazifik. Nachdem die Welt jetzt ein paar Jahre davon verschont blieb, liegt die Chance im heurigen Sommer bei 80 Prozent, dass sich ein El Niño entwickelt.

Schon jetzt sei das Oberflächenwasser im zentralen und östlichen Pazifik höher als im langjährigen Durchschnitt, und dies gehe immer mit höheren Temperaturen an Land einher, berichtete die WMO. Mit Blick auf 2024 und 2025 seien wegen El Niño Temperaturrekorde zu befürchten. Das könne auch die globale Durchschnittstemperatur zusätzlich in die Höhe treiben.

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