Rapid-Star im "Heute"-Talk

Cvetkovic: "Das Schlimmste seit dem zweiten Weltkrieg"

Im August riss bei Rapid-Abwehrchef Nenad Cvetkovic das Kreuzband. Mit "Heute" sprach der Serbe über Ziele und seine alte Heimat Israel.

Erich Elsigan
Cvetkovic: "Das Schlimmste seit dem zweiten Weltkrieg"
Nenad Cvetkovic wie ihn die Rapid-Fans lieben.
picturedesk.com

Herr Cvetkovic, Deutsch oder Englisch?

"Ich bin fleißig am Lernen, habe zwei Mal die Woche Kurs. Aber für ein Interview reicht es leider noch nicht. Daheim lerne ich auch ein bisschen, jetzt habe ich ja mehr Zeit."

Das stimmt. Sie haben sich vor zwei Monaten das Kreuzband im rechten Knie gerissen, mussten operiert werden. Wie geht es Ihnen aktuell?

"Ich bin noch in der Reha-Frühphase, aber es läuft besser, als jeder erwartet hätte. Ich hoffe, ich kann in ein paar Monaten zurückkommen. Man muss immer schauen, was die Ärzte sagen. Der Doktor ist der Boss. Aber mein persönliches Ziel wäre es, am 1. Mai im Cup-Finale zu spielen."

Was ging Ihnen durch den Kopf, als die Verletzung passiert ist? Können Sie den Moment beschreiben?

"Als ich am Boden aufkam, wusste ich, dass es das Kreuzband ist. Ich habe den Schmerz gespürt, aber mental hat es noch mehr weh getan, weil ich sofort wusste, was auf mich zukommt. Es hat geschmerzt, zu wissen, lange nicht spielen zu können. Das war der härteste Part. Du brauchst dann ein paar Tage, um das zu verarbeiten. Ich habe mich schnell gefangen, wollte die Operation rasch hinter mich bringen und gleich mit der Reha starten. Ich bin nicht mal heim nach Serbien gereist, sondern habe sofort alles in die Wege geleitet. Zum Glück haben mich meine Verlobte und mein Bruder toll unterstützt. Die Zeit war also gar nicht so hart, wie sie sein sollte."

Sie hatten vor fünf Jahren einen Kreuzbandriss im anderen Knie. Hilft es, den Ablauf zu kennen?

"Ja, das hilft mir sehr. Mental ist es diesmal besser. Denn ich erinnere mich, dass ich nach der Verletzung eine großartige Saison gespielt habe. Ich hatte während des Heilungsprozesses viel Zeit, um an meinen Schwächen zu arbeiten. Aber ich weiß auch, welche Übungen oder Therapien nicht so gut funktioniert haben. Ich bin in enger Absprache mit den Ärzten."

Wo schauen Sie die Rapid-Spiele an? Daheim oder im Stadion?

"Die Heimspiele habe ich alle im Allianz Stadion gesehen. Auch beim Derby war ich im Stadion. Die Auswärtsspiele, die zu weit weg waren, habe ich im Fernsehen mitverfolgt. Ich kann noch nicht vier, fünf Stunden mit dem Auto fahren. Ich bin froh, dass wir gegen Lustenau wieder auf die Siegerstraße zurückgefunden haben. Es war davor ein bisschen schwierig, weil wir zu wenig Tore gemacht haben. Ich denke, das ist ein normaler Prozess. Die neuen Spieler kommen jetzt besser in Form, kennen schön langsam alle Abläufe."

Als Sie zu Rapid kamen, haben Sie gemeint, Sie wollen jedes Match gewinnen und vielleicht sogar den Titel holen. Das wird sich nicht ausgehen.

"Aber ich denke noch immer, dass wir eine gute Truppe sind. Wir brauchen noch ein bisschen Zeit, um uns besser kennenzulernen. Wenn das Team zusammenbleibt, können wir nächstes Jahr angreifen. Oder sogar heuer. Wir sind zwar momentan weit zurück, aber wenn die Punkte geteilt werden, schaut die Sache schon wieder anders aus."

Was rasch aufgefallen ist: Sie und Leopold Querfeld haben sehr gut harmoniert. Hat er das Zeug, ein Großer zu werden?

"Ich bin erstaunt über seine Leistungen. Denn er ist erst 19 Jahre alt, war aber schon im Nationalteam einberufen. Er spielt wie ein Routinier, hat aber noch viele Jahre, um sich zu entwickeln. Ich denke, er kann es weit bringen. Wenn ich ihn mit dem 19-jährigen Nenad Cvetkovic vergleiche, muss ich gestehen, dass er viel weiter ist. Wir verstehen uns am Platz hervorragend, ergänzen uns gut. Ich habe mein Spiel ein bisschen angepasst an seinen Stil. Ich weiß, dass er gerne pusht und aggressiv ist, deshalb muss ich die Tiefen ein bisschen mehr im Blick haben. Wäre ich auch so aggressiv wie Leo, hätten wir Probleme."

Wie würden Sie sich selbst beschreiben, welche Art von Innenverteidiger sind Sie?

"Sicher ein sehr leidenschaftlicher. Und ein verlässlicher. Ich denke, ich bin sehr hartnäckig. Aber eigentlich rede ich nicht so gerne über mich. Müsste ich meine größten Stärken nennen, würde ich die Zweikämpfe in der Luft und am Boden sagen."

Haben Sie ein Vorbild?

"Ja, Nemanja Vidic, auch wenn er nicht mehr spielt. Wir sind in der selben serbischen Kleinstadt aufgewachsen, in Uzice. Und wir haben beide unsere Karrieren bei Roter Stern Belgrad begonnen. Er ist eine starke Persönlichkeit."

Sie tragen die Rückennummer 55. Warum?

"Ja, diese Nummer hatte ich auch in meiner ersten Israel-Saison – und das war eine meiner allerbesten. Ich wollte das bei Rapid wiederholen, leider hat es nicht geklappt. Aber ich glaube noch immer an die 55."

Stichwort Israel. Sie haben drei Jahre lang in Israel gespielt. Seit ein paar Tagen herrscht dort Krieg. Was geht Ihnen beim Anblick der Bilder durch den Kopf?

"Ich kenne viele dieser Gegenden, bin in Israel viel herumgereist. Es ist ein wunderschönes Land, mit großartigen Menschen. Ich kann gar nicht ausdrücken, was ich derzeit fühle. Es ist so traurig. Ich habe mit vielen meiner Freunden telefoniert. Die Ausländer haben das Land verlassen, viele mussten lange am Flughafen ausharren. Aber die Israelis sind natürlich noch immer dort. Sie haben mir gesagt, dass die Situation nicht vergleichbar ist mit früheren Spannungen. Auch als ich in Israel gespielt habe, gab es immer wieder Probleme mit Palästinensern. Aber die aktuelle Situation ist laut Augenzeugen die schlimmste seit dem zweiten Weltkrieg. Es gibt so viele Tote auf beiden Seiten, es ist schrecklich. Viele meiner Freunde leben in Angst. Niemand weiß, wie es weitergeht. Ich hoffe und bete, dass es bald Frieden gibt."

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    Die Rapid-Fans zündeten Pyrotechnik.
    Die Rapid-Fans zündeten Pyrotechnik.
    GEPA

    Waren Sie jemals in Gefahr, als Sie beim FC Ashdod gespielt haben? Die Stadt ist nicht weit vom Gaza-Streifen entfernt.

    "Als ich ankam, wurden in Gaza gerade Raketen abgefeuert. Ich habe also die erste Nacht im Safe-Room meines Apartments verbracht. Das ist ein Raum mit dickeren Wänden. Das war nicht leicht. Der Klub hat dann entschieden, alle Ausländer im Norden in Haifa unterzubringen, dort haben wir uns sicher gefühlt. Die Einheimischen waren ohnehin ruhig, hatten keine Angst – sie kannten diese Situationen, hatten Erfahrung damit. Sie sagten zu uns, wir sollen uns keine Sorgen machen. Meine Familie daheim hat trotzdem gelitten, denn sie kannte nur die schlimmen Bilder aus den Nachrichten. Jetzt ist die Situation eine andere."

    "Einer meiner Ex-Kollegen wohnt in einer Stadt gleich neben dem Gaza-Streifen. Der Verein checkte am vergangenen Freitag vor dem Match im Hotel ein, zelebrierte Sabbat. In der Früh hörten sie den Alarm, das Spiel wurde abgesagt. Das Team fuhr mit dem Bus zurück nach Hause. Nur mein Kumpel konnte nicht heim zu seiner Familie, konnte sie nicht unterstützen, während vor seinem Haus Menschen erschossen wurden. Irgendwie hat er es dann doch geschafft. Solche Geschichten gibt es viele. Zum Glück wurde bislang keiner meiner Freunde verletzt. Aber jeder hat gesehen, wie Menschen gekidnappt oder getötet wurden. Wir können so dankbar sein, in einem so friedlichen und sicheren Land wie Österreich zu leben. Man kann das gar nicht genug wertschätzen."

    Um mit einer unterhaltsamen Geschichte aufzuhören: EA Sports hat Sie im aktuellen Computerspiel relativ schwach bewertet, Sie haben das auf Instagram mit einem witzigen Clip "kritisiert". Gab es eine Reaktion vom Spiele-Hersteller?

    "Ich glaube nicht. Aber sie sollten das Rating verbessern. Wenn ich zurückkomme, zeige ich ihnen, dass sie falsch gelegen sind."

    Ist einem Spieler das Rating wirklich wichtig?

    "Als ich jünger war, habe ich FIFA-Soccer und so weiter gezockt. Es wurde ein Traum wahr, als ich überhaupt zum ersten Mal eine Bewertung bekommen habe. Jetzt spiele ich nicht mehr viel."

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