Life

Top-Vertreter der Bauträger an einem Tisch

In der obersten Etage des höchsten Gebäudes Österreichs debattieren die Top-Experten des Landes über Trends und Zukunftschancen.

Heute Redaktion
Teilen

Die Top-Vertreter der Gemeinnützigen beim großen "Heute"-Round-Table: "So bauen wir Wien"

Sieben Branchenprofis, allesamt aus dem Bereich Gemeinnütziger Wohnbau, dazu ein Thema, das unter den Nägel brennt: leistbare vier Wände. Die Fragen stellte "Heute"-Redakteur Gerhard Plott, mit dieser ging es mitten ins Thema:

"Heute": Ich bin seit April verheiratet und brauche eine Wohnung. An wen darf ich mich wenden?

Karl Wurm: Ich würde Ihnen empfehlen: Gehen Sie auf die Homepage des Verbands. Dort finden Sie, nach Bundesländer unterteilt, alle Gemeinnützigen. Nachdem Sie möglicherweise nicht so lange warten wollen, ist es besser, Gemeinnützige abzuklappern, denen zu sagen, wo Sie wohnen wollen, welche Fläche Sie brauchen und wo die finanzielle Schmerzgrenze liegt. Gut ist, sich auch zu fragen: Will ich eine Neubauwohnung oder will ich eine Bestandswohnung, die natürlich günstiger ist.

Gemeinnützigkeit steht für leistbares Wohnen!

"Heute": Das Finanzielle ist angesprochen worden, was verstehen Sie unter leistbarem Wohnen?

Michael Neubauer: Leistbar ist es dann, wenn ein Drittel des Einkommens für den Wohnraum aufgewendet wird. Wir wollen immer leistbar bleiben, das ist die Grundvoraussetzung der Gemeinnützigkeit. Als Ergänzung zu Ihrer ersten Frage: Sie sollten auch wissen, ob Sie mieten oder kaufen wollen. Weil die Gemeinnützigkeit kann beides!

Johann Gruber: Wenn man sich das durchschnittliche Einkommen der unselbständig Erwerbstätigen anschaut – und das ist unser größtes Potenzial –, liegt das ungefähr bei 20.000 Euro, auf ein Drittel hochgerechnet kommt man ungefähr auf 6.000 Euro. Wenn man das auf Mietkonditionen umlegt, dann kommt man auf 7,50 Euro je Quadratmeter, die sich die Mittelschicht in etwa leisten kann. Mit Heizung und Warmwasser dazugerechnet sind 9 Euro die Schmerzgrenze.

Auch Gemeinnützige müssen nach Bauordnung bauen

"Heute": Wie werden sich denn die Preise entwickeln?

Ewald Kirschner: Wir wissen, dass wir steigende Baupreise haben, die werden das ganze Jahr noch anziehen. Das andere sind die Mietzinsvorgaben. Bei den Mieten und günstigen Zinsenlandschaften ist es die Aufgabe der Bauträger, insbesondere der Gemeinnützigen, diese angesprochenen Mieten zu halten. Wir haben in Wien nicht nur die Förderungen, sondern auch die politische Vorgabe aus der Initiative von Wohnbaustadtrat Ludwig. Nicht nur die Baupreise steigen, sondern die Grundstückpreise sind vorher schon gestiegen. Der Zuzug in die Ballungsräume ist die Realität, weil die Leute zu den Arbeitsplätzen gehen und die Studenten nicht mehr heim. Wir sprechen ohnehin schon von Ballungsräumen, die Grenze Wien zu Niederösterreich gibt es nur als Landesgrenze. Für die Bewohner ist das praktisch schon eins.

"Heute": Fürchten Sie Einbußen in der Bauqualität?

Wurm: Das ist dann immer das Totschlagargument. Der Rest, der nicht gefördert baut, baut nach Bauordnung. Ich habe noch nie gehört, da wird schlechte Qualität gemacht. Weder bei den privaten Bauträgern noch bei den Einfamilienhäuslern. Sobald bei der Wohnbauförderung, wo noch Zusätzliches zur Bauordnung draufgesetzt wird, angemerkt wird, es ist zu viel, wird sofort gesagt, da leidet die Qualität. Wir müssen auch nach Bauordnung bauen und zusätzlich noch die Spompanadln der Wohnbauförderung erfüllen.

"Heute": Was meinen Sie damit?

Kirschner: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im geförderten Wohnbau in Wien darf man keine Kunststofffenster einbauen. Keiner versteht das. Wurde einmal Anfang der 90er-Jahre fixiert und gilt bis heute.

Neubauer: Das Interessante an Niederösterreich ist, obwohl wir Kunststofffenster verbauen dürfen, dass hier Bauen um 20 Prozent teurer ist als in Wien. Das hängt aber damit zusammen, dass wir viel kleinere Volumina verbauen. Wir haben durchschnittlich 15 Einheiten pro Wohnhausanlage. Wir haben jetzt auch eine Deckelung der Baupreise, aber keine Deckelung des Mietzinses.

Die "Heute" Gipfelgespräche

"Heute" präsentiert wir Ihnen hiermit zum zweiten Mal die neue Veranstaltungsreihe "Gipfelgespräche", in der die Top-Experten des Landes zu Wort kommen. Im 57. Stock des Mélia Vienna im DC Tower, dem höchsten Gebäude Österreichs, diskutieren die wichtigsten Branchenvertreter in regelmäßigen Abständen die Topthemen, Zukunftschancen und Trends, um sie mit Ihnen, den "Heute"-Leserinnen und Lesern, zu teilen

Die Wohnungen werden knackiger!

Heribert Thurner: Wir leiden darunter, was uns an zusätzlichen Maßnahmen aufgepfropft wird. Ursprünglich war der geförderte Wohnbau dazu da, ein Dach über dem Kopf zu schaffen mit geringen, vertretbaren Mitteln. Man hatte damals noch keine umfangreiche Haustechnik, sondern Wohnungen, die einfach instand zu halten waren. Das Mehr schlägt sich natürlich in den Wohnkosten zu Buche.

Historisch bedingt, gewachsen und geblieben

"Heute": Warum gibt es eigentlich die Vielfalt an Gemeinnützigen?

Peter Roitner: Die Vielfalt ist historisch bedingt. Manche sind zehn Jahre alt, die meisten wurden nach dem 2. Weltkrieg gegründet. Wir haben da alle möglichen Formen, wir haben die GesmbHs, die AGs, und wir haben die Genossenschaften, die meistens in kleinerem Kreis gebildet wurden, um sich gegenseitig zu unterstützen und um günstig zu bauen. So ist das gewachsen und so geblieben.

Kirschner: Die Zweckbindung der Gelder und das Kostendeckungsprinzip sind das Wesentliche. Das heißt, die Gemeinnützigen sind der Garant für die Erfüllung des Generationenvertrags das Wohnen betreffend.

Michael Gehbauer: Nach dem Krieg haben sich im Zuge der großen Wohnungsnot alle gesellschaftlichen Kräfte gebündelt. Wir wurden 1953 gegründet, das Ziel war damals, 500 Wohnungen zu bauen. Heute sind es an die 8.000 Wohnungen.

Wurm: Ich höre immer wieder, es gibt so viele Gemeinnützige. Eigentlich müsste man die zusammenlegen. Gerade aus dem Finanzbereich. Besonders Banken, haben Interesse, in der Konzernbilanz zu konsolidieren, weil sie dann gewisse Effekte für ihre Konzernbilanz erwarten.



Neubauer:
Die Gemeinnützigkeit steht für leistbare Wohnprojekte und nicht für Finanzprodukte. Das wollen wir einfach nicht.

Wurm: Der Unterscheid zwischen Gemeinnützigen und Privaten: Am Anfang bauen wir alle gleich, gleiche Anforderung am Baumarkt, gleiche Voraussetzungen am Finanzierungsmarkt. Am Grundstücksmarkt wird niemandem etwas geschenkt, wir müssen da mitbieten. Der entscheidende Unterschied ist, wenn das Haus ausfinanziert ist, wenn alle Darlehen zurückgezahlt sind und keine Bindung mehr über die Förderung drauf ist, dann beginnt Markt. Das bedeutet bei den Privaten, dass sie die Mieten anheben können von 7,50 auf 12, 13 Euro. Die Gemeinnützigen haben eine Grundmiete zu verrechnen von 1,75 Euro plus 2 Euro EVP (Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, Anm.), und mit Steuer und Verwaltungskosten bin ich bei knapp über 5 Euro. Das kann der Markt nie abbilden.

Kirschner: Das ist das Wirtschaftliche. Das Zweite ist: Die Gemeinnützigen bauen auch in Zeiten, wo die Nachfrage nicht so groß ist. Die Privaten sind nur da, wenn es der Markt verlangt. Wir sind der Garant fürs Bauen.

"Heute": Derzeit wird ja wie verrückt gebaut. Wieso haben wir diesen Rückstau beim Wohnungsbau?

Gehbauer: Wir sind uns einig, wir könnten mehr bauen. Nur der Markt gibt es nicht her.

Kirschner: Der Baumarkt ist überhitzt, die bekommen gar keine Professionisten im Moment!

Wurm: Das Marktargument hat das immer mit sich gebracht, mehr zu bauen. Fakt ist aber: Wir werden in Wien eine Situation erleben, wo wir sehr viel bauen in einem bestimmten Segment, bei den Eigentumswohnungen, bei den freifinanzierten Wohnungen. Und wir werden dort Leerstände haben, gleichzeitig aber einen Stau bei den günstigen Mietwohnungen. Warum? Weil ein Teilsegment des Markts derzeit zu wenig bearbeitet wird. Das hilft jenen nicht, die nur günstige Mietwohnungen brauchen. Denn die können sich die teuren freifinanzierten Wohnungen nicht leisten.

Politischer Auftrag für Eigentumswohnungen

Gruber: Wobei man aber auch beachten muss, dass nicht jede Eigentumswohnung, die als Eigentumswohnung verkauft wird, von demjenigen bewohnt wird, der sie kauft. Wenn ein Investor dann mehrere Wohnungen in einem Objekt kauft, ist das ja später gar nichts anderes als teure Mietwohnungen. Gibt es doch politisch den Auftrag, vermehrt Eigentumswohnungen zu bauen. Es gibt ja im Gesetz den Zwang, nach zehn Jahren die Mietwohnung zu verkaufen. Jede Wohnung, die im Eigentum gefördert verkauft wird, ist aus der Wohnpolitik draußen.

Verwaltungsverfahren vereinfachen!

Wurm: Da zeigt sich wieder, welchen Stellenwert gemeinnützige Wohnungen haben! Es zeichnet sie aus, dass sie langfristig günstig sind. Das ist, wie man so schön sagt, eine soziale Manövriermasse am Wohnungsmarkt.

Gruber: Es triff mich immer persönlich, wenn es heißt, schon wieder sind die Mieten gestiegen. Faktum ist, unser Anteil ist die Steigerung der Verwaltungskosten. Der Rest sind entweder Steigerungen über die Finanzierung, über die Betriebskosten oder durch die Instandhaltung.

Gehbauer: Zum Verkauf von Wohnungen: Bleiben Gewinne über, dann verbleiben die im Unternehmen und fließen langfristig wieder in den Wohnbau. Der Private entnimmt seine Gewinne und macht natürlich damit seinen persönlichen Profit.

Den Eigenmittelanteil der Wohnungen finanzieren

Roiter: Aus diesen nachträglichen Übereignungen finanzieren wir den Eigenmittelanteil bei den SMART-Wohnungen.

"Heute": Da sollte man einmal SMART-Wohnungen erklären.

Roiter: Das ist ein Wiener Spezifikum, 2012 ins Leben gerufen. Bei diesen Wohnungen ist die Miete mit 7,50 Euro brutto limitiert. Das ist noch immer aufrecht, auch für Wohnungen mit Bezug 2020. Bis dahin sind aber die Baukosten und vor allem die Betriebskosten gestiegen. Wir müssen das also mit der verbleibenden Hauptmiete abfedern.

Kirschner: Ergänzend: Wir haben die Verpflichtung bei den Bauträger-Wettbewerben, 30 Prozent der Wohnungen als SMARTWohnungen zu machen.

Gruber: Eigentlich ein Ersatz – statt Gemeindewohnungen hat man die SMART-Wohnungen gemacht.

Neubauer: Wir haben in Niederösterreich ein anderes Modell, das heißt junges und betreutes Wohnen, wo man jungen Menschen Wohnen zu günstigen Mitteln zur Verfügung stellt. Das können wirklich nur Gemeinnützige machen.

"Heute": Wie schauen denn die Trendprojekte beim Wohnen aus?

Neubauer: Niederösterreich folgt eher dem Wiener Trend. Die Wohnungen werden kleiner, knackiger, mit weniger Zimmern und Low-Technik. Wir fahren Ausstattung zurück, damit es leistbar bleibt. Wir machen auch Quartiersentwicklung mit 200 Einheiten, ein Novum für Niederösterreich.

Gehbauer: Der Mangel an Grundstücken führt Wohnen näher an die Gewerbegebiete. So wie die Wohnungen, die wir auf dem Auhofcenter errichtet haben. Ein weiterer Trend ist die Errichtung von Wohnheimen, wo sich junge Menschen bis 30 Jahre mit eigenem Zimmer Gemeinschaftseinrichtungen teilen. Sozusagen der Einstieg junger Leute ins Wohnen! Auch das Thema Mobilität spielt eine zunehmende Rolle. Das Auto hat nicht mehr den Stellenwert, den es einmal gehabt hat. Wir haben hochwertige öffentliche Verkehrsmittel, das führt zu neuen Anforderungen bei der Ausstattung der Wohnungen mit Parkplätzen. Die idealen Grundstücke sind natürlich entlang der Öffis. Diese steigen aber wieder im Preis, wenn dort Verkehrsmittel gebaut werden.



Ideale Grundstücke sind entlang der Öffis


Gruber: Mit der Nachverdichtung allein wird man den Wohnungsmarkt nicht befriedigen können. Man hat da in der Vergangenheit viel hergeschenkt. Man war bei der Höhe immer bei 16 Metern und hätte damals noch ein bis zwei Geschoße zulegen können, ohne dass es irgendjemanden gestört hätte. Bei den neuen Projekten müssen wir auf 30 bis 35 Meter gehen.

Kirschner: Wir haben im Wiener Stadtentwicklungsplan die Vorgabe, dass 50 Prozent der Flächen grün bleiben sollen. Wir brauchen mehr Mut zum Großvolumigen, sonst wird das alles nicht stattfinden. Ein zeitgemäßes Alterlaa werden wir planen müssen!

Wurm: Der Trend, dass Wohnungen kleiner werden, ist ja einer, der sich aus der Situation ergibt: Leistbarkeit, Einkommen und Kosten. Wir machen schon viel zu viel kleine Wohnungen. Ich bin sehr skeptisch, ob die vielen kleinen Wohnungen nicht einmal viel zu viel sein werden. Bei den Vorsorgewohnungen findet man nichts über 60 Quadratmeter. Man redet da von Micro-Wohnungen von 35 Quadratmetern und drunter. Zu mir sagt jeder: Ich brauche eine größere Wohnung. Die Leute wollen zusammenwohnen und für jedes Kind ein eigenes Zimmer. Das wird bei diesem Drang nach Micro total vernachlässigt.

"Heute": Ihre Wünsche an die Regierung/Politik?

Wurm: Das größte Problem sind derzeit die Grundstückkosten, dann die Baukosten. Ich erwarte mir schon bei den Grundkosten, dass man bei Widmungen eingreifen kann, auch in den Preis. Das betrifft die Kompetenz der Kommunen und kann die Regierung sehr schnell machen.

Neubauer: Die Deregulierung bei technischen und baubehördlichen Vorschriften und die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren wie baurechtliche Genehmigungen. Wir versemmeln oft Jahre bei der Baubehörde.

Roiter: Finanzierung ist auch ein Thema. Vielleicht wäre es gut, wenn es eine GBV-Bank gäbe und wir untereinander so eine Bank gründen könnten und dort langfristig günstige Finanzierungsmittel erhalten würden.

"Heute": Danke für das Gespräch!

(ib)