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"Sea of Solitude" im Test: Monsterstory mit Tiefgang
Künstlerisch wertvoll: Mit "Sea of Solitude" können Spieler die Reise einer jungen, einsamen Frau verfolgen, die zu einem Monster geworden zu sein scheint.
Es erinnert etwas an Titel wie Bound und Submerged: Mit "Sea of Solitude" begleiten Spieler eine junge Frau durch ein Adventure, in dem die Entwickler Jo-Mei weniger das Gameplay als das Erlebnis in den Mittelpunkt stellen. Das rund fünfstündige Abenteuer stellt die junge Kay in den Mittelpunkt und soll an die persönliche Geschichte der Schöpferin Cornelia Geppert angelehnt sein.
Im Spiel für PlayStation 4, Xbox One und PC bewegt sich die Spielfigur Kay durch eine überflutete Stadt. Die Einsamkeit hat Kay dabei selbst zu einem Monster gemacht, was sich unter anderem in leuchtend roten Augen der Protagonistin äußert. Folglich will Kay nicht nur die Einsamkeit überwinden, sondern auch herausfinden, was sie selbst zum Monster gemacht hat.
Schon der Storyumriss deutet es an: In "Sea of Solitude" geht es weniger darum, knifflige Rätsel zu lösen oder schwierige Passagen zu überwinden. Vielmehr geht es um Gefühle, Verluste, aber auch Hoffnung. Das eigene Monster und die Gestalten um einen herum, alles soll eine tiefere Bedeutung haben. Ziel ist es deshalb auch nicht, einfach eine Mission zu erfüllen, sondern in der Welt Dinge oder Lebewesen zu finden, die einem zeigen, was Menschlichkeit ausmacht.
Eine Frage des Zugangs
"Sea of Solitude" funktioniert allerdings nur dann, wenn man sich auf die tiefgründigen Motive und Erlebnisse einlassen will und kann. Wer durch das Game hetzt, kaum einen Blick nach links und rechts riskiert und jeden Hinweis ignoriert, ist nach kurzer Zeit durch das Game und wird trotz der Kürze kaum Freude daran haben. Wer allerdings die Geschehnisse zu interpretieren versucht und die minimalistischen Rätsel als digitale Pendants eigener Probleme sieht, wird sich in "Sea of Solitude" selbst entdecken.
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Tatsächlich ist auf der Gameplay-Ebene nicht allzu viel los: Kay kann sich schwimmend, laufend und per Boot fortbewegen und muss über die Dauer des Spiels versteckte Orte finden sowie mit dem Lösen eher selbsterklärender Rätsel neue Wege freilegen. Was das allerdings äußerst spannend macht: Jeder Fortschritt ist auch eine Erinnerung an vergangene Zeiten, die Kay verdrängt hatte und die erklärt, zu was Kay geworden ist.
Gute Steuerung, tolle Grafik
Ohne wählbaren Schwierigkeitsgrad bleibt die Herausforderung dabei emotionaler Natur. Zwar können einige Rätsel und Hindernispassagen Geduld erfordern, meist hat man sie aber schnell und ohne Probleme hinter sich. Grund dafür ist auch die überraschend exakte und flüssige Steuerung. Ebenso lobenswert ist die Grafik des Titels, die einen beeindruckenden Mix aus comicartigen Umgebungen und einer Prise Realismus abgibt.
Dieser Mix setzt sich auch beim Gezeigten fort. Zum einen bewegt sich Kay durch ein echt aussehendes Meer und trifft auch menschenähnliche Schattenwesen, zum anderen erheben sich Wolkenkratzer-große Monster aus dem Meer. Ebenso bei der Stimmung: Hat Kay ein Trauma überwunden, wandelt sich Schatten zu Licht und die Umgebung wird bunter und heller. Steht wiederum ein Problem bevor, verdüstert sich der Himmel und wühlt sich das Meer auf.
Grandiose Sounduntermalung
Grandios ist auch die nur englische Vertonung ausgefallen. Kays Sprecherin ist hörbar mit viel Emotion am Werk, die Soundeffekte von bedrohlich bis fröhlich sind auf den Punkt getroffen. Einzig dass Kay immer wieder betont, dass eine Passage zu gefährlich sei, wenn man gerade am falschen Ort sucht, nervt nach mehrmaliger Wiederholung etwas. Vieles scheint in "Sea of Solitude" zudem einem Horrorfilm entsprungen zu sein: Gewaltige entstellte Monster und Schattenwesen wirken aber schnell eher beeindruckend als schaurig.
Ob "Sea of Solitude" letztlich dem Spieler gefällt, hängt vom persönlichen Geschmack ab. Wer bereit ist, den geistigen Extraschritt zu gehen und die Handlung des Spiels selbst zu deuten, auf den wartet ein außergewöhnliches Erlebnis, von denen es am Game-Markt leider viel zu wenige gibt. Und kaum ein anderes Spiel traut sich so offen mit Themen wie Einsamkeit, Angst, Trauer und Depressionen umzugehen. (rfi)